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Apple vs. FBI – Tim Cook hat recht – ein Kommentar

Soll Apple dem FBI dabei helfen, das iPhone eines Attentäters zu durchsuchen? In dieser Diskussion geht es nicht um Abwägen zwischen Privatsphäre und Schutz vor Terrorismus. Sondern darum, ob die Sicherheit unserer Daten geopfert und Unternehmen zum verlängerten Arm des Staates gemacht werden.

Seit dem offenen Brief von Apple wird nicht nur in den USA heiss diskutiert: Darf das FBI von Apple verlangen, beim Zugriff auf das iPhone des Attentäters von San Bernardino zu helfen? Muss Apple eine Version des Betriebssystems schreiben, die exakt jene Sicherheitsmassnahmen entfernt, die normalerweise verhindern, den Passwortschutz eines iPhones zu knacken?

Das FBI argumentiert, man wolle nur in diesem einen Fall auf ein iPhone zugreifen. Versuche man das nicht, könne man den Angehörigen der Opfer des Attentats nicht in die Augen sehen.

Die öffentliche Meinung in den USA trägt diese Meinung, wenn auch nur knapp. Polterer wie Präsidentschaftskandidat Donald Trump machen gegen Apple Stimmung. Doch nun hielt Tim Cook in einem Interview mit dem Fernsehsender ABC an seiner Haltung fest: Gäbe Apple nach, setzte man einen gefährlichen Präzedenzfall und schwächte den Schutz der Privatsphäre von Millionen von Nutzerinnen und Nutzern.

Das ist ein Präzedenzfall

Wie praktisch alle Grossen im Silicon Valley (Facebook, Google, WhatsApp, Twitter und andere) stelle ich mich auf die Seite von Tim Cook und Apple: Ja, das ist ein Präzedenzfall.

Erstens, weil es mir schwerfällt, den Beteuerungen des FBIs zu glauben. Das FBI fordert seit langem einen einfacheren Zugriff auf verschlüsselte Kommunikation. Es hat bereits einen anderen Fall vor Gericht verloren. Und es versucht parallel, auf dem Weg der Gesetzgebung die eigenen Möglichkeiten auszubauen.

Zweitens, weil auch andere US-amerikanische Strafverfolgungsbehörden Zugriff auf Smartphones wollen. Es sind hunderte Fälle hängig. Wenn das FBI den Fall gegen Apple gewinnt, werden alle kommen und sagen: «Wenn die dürfen, dann wollen wir auch».

Den Geist nicht aus der Flasche lassen

Gerade in der pragmatischen Schweiz, die ihren Behörden bei Sicherheitsfragen oft ein unerschütterliches Grundvertrauen schenkt, wird man sich nun denken: Na gut, dann ist es ein Präzedenzfall. Was ist denn schlimm daran? Schliesslich muss der Staat eine Möglichkeit haben, um Terroristen und andere Bösewichte zu bekämpfen.

Das ist unbestritten. Doch in diesem konkreten Fall liesse man einen Geist aus der Flasche, der besser drin bleiben sollte.

Zunächst ein technisches Argument: Das FBI verlangt von Apple, genau jene Sicherheitsmassnahmen zu entfernen, die ein Knacken des Passworts eines iPhones verunmöglichen. Dazu ist ein Anpassen des Betriebssystems notwendig. Diese angepasste Version würden Apple und das FBI natürlich schützen. Doch die reine Existenz einer solchen Software eröffnet die Möglichkeit, dass sie in falsche Hände gerät oder missbraucht wird. Damit verringert sie die Sicherheit aller iPhone-Nutzerinnen und -Nutzer.

Unternehmen als verlängerter Arm des Staates

Auch aus politischen Überlegungen ist das keine gute Idee. Denn selbst wenn es Apple gelingen sollte, dieses abgeschwächte Betriebssystem so abzusichern, dass es nicht in falsche Hände gerät: dem staatlichen Zugriff wird man sich nicht mehr entziehen können.

Denn der Skandal um die völlig entfesselte Abhörtätigkeit der NSA hat gezeigt: Die Gerichte in den USA hatten nach 9/11 wenig Hemmungen, Anfragen von Geheimdiensten en gros durchzuwinken. Es ist absehbar, dass sich Gerichte bei Anfragen von Strafverfolgungsbehörden nicht wesentlich zurückhalten werden. Es werden mehr und mehr entsprechende Fälle auf alle grossen Internet-Unternehmen zukommen.

Ausserdem stellt Tim Cook im Interview mit ABC die rhetorische Frage: Wenn eine staatliche Behörde ein Unternehmen zwingen kann, diese eine Software zu schreiben – wo liegt dann die Grenze? Eine Kamera aktivieren zur Live-Überwachung? Finanzdaten direkt ans Steueramt schicken? Inhalte filtern? Man kann sich beliebige Szenarien ausmalen. Jede Behörde wird sich auf diesen Präzedenzfall berufen, um Unternehmen zu ihrem verlängerten Arm zu machen.

Ist Apple glaubwürdig als Verteidiger der Privatsphäre?

Der Gefahr solcher Übergriffe stellt sich Apple entgegen und sagt, man verteidige die Privatsphäre der Nutzerinnen und Nutzer. Das mag seltsam klingen aus dem Munde eines Unternehmens, das einen riesigen Berg unserer Daten sammelt und kontrolliert. Ist diese Haltung Apples überhaupt glaubwürdig?

Ja. Es ist zwar so, dass Apple und alle grossen globalen Unternehmen in dieser Industrie sehr viele Daten von uns haben – auf unseren Smartphones und unseren Social-Network-Accounts sind mehr private Informationen als in unseren Häusern, wie Tim Cook sagt.

Doch damit haben sich diese Unternehmen in eine Position manövriert, in der es ihre Pflicht ist, diese Daten treuhänderisch zu verwalten und zu schützen. Das ist entscheidend für die Glaubwürdigkeit der Unternehmen und ein Teil ihrer Geschäftsmodelle. Diese treuhänderische Aufgabe wahrzunehmen, liegt deshalb in ihrem eigenen Interesse.

Das Dreieck Staat – Unternehmen – Bürger

Den Schutz unserer Daten und die Kontrolle darüber verhandeln wir in einem Dreieck. Am einen Eck sitzen die Staaten, am zweiten die grossen globalen Unternehmen und am dritten wir, die Bürgerinnen und Bürger.

Wir haben in diesem Dreieck mit Abstand am wenigsten Macht. Nach dem NSA-Skandal sah es gar so aus, als hätten sich die zwei Starken gegen uns verbündet. Dieses Gefühl der ausgelieferten Machtlosigkeit halte ich für den Hauptgrund, dass sich eine Mehrheit der Bürger der Datenschutz- und Privatsphäre-Diskussion mit einem müden Schulterzucken entzieht.

Die «Crypto Wars» im Scheinwerferlicht

Doch dass Staaten und Unternehmen in diesem Dreieck die gleichen Ziele verfolgen, ist eine Fehlwahrnehmung. Netzaktivisten beklagen schon lange die von ihnen dramatisch benannten «Crypto Wars»: Staaten versuchen, gegen den Widerstand von Unternehmen deren Verschlüsselungs-Technologie abzuschwächen oder auszuhebeln. Das Scheinwerferlicht, das Apple naturgemäss mit sich bringt, leuchtet diesen Interessenkonflikt nun hell aus.

Für uns Bürgerinnen und Bürger ist es grundsätzlich gut, wenn sich die zwei anderen Ecken streiten. Ob wir allerdings tatsächlich gestärkt aus diesem Kampf herausgehen, hängt nun davon ab, wie die Gerichte den Fall «FBI vs. Apple» beurteilen – und wie sich daraus die politische Debatte in den USA entwickelt.

Guido Berger, www.srf.ch, im Februar 2016

Apple vs. FBI
Apple vs. FBI

Apple vs. FBI
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